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Mir KOMMt’s

Okay, dies ist nur die Sicht eines kleinen KOMM-Besuchers, der kein Mit­glied ist. Aber ich weiß eins: es gibt ‘ne Menge Leute, die mit dem Teil froh sind; dazu ‘ne Menge uninformierter Peoples (wie mein Vater, der meint, die Leute, die ins KOMM gehen, sollten lieber mal richtig schaffen, obwohl einige doch genau des­wegen hingehen, aber immerhin hat er nicht den Begriff Asoziale fal­len ge­lassen, der scheint aus der Mode); ach ja, und dann gibt’s da noch irgend ‘nen Typen mit seiner Clique, hab ihn noch nie gesehen, aber alle haben ir­gendwie Schiß vor ihm. Is vielleicht ‘n Halbstarker mit seiner Schlägertruppe, aber bisher hat er noch keine Veranstaltung im KOMM aufgemischt. Ich weiß nur eins: Er mag’s nicht, er will’s nicht, er kann’s nicht ab. Er scheint sogar bei Nacht & Nebel die Fassaden er­klommen zu haben, um das Dach ein wenig zu verprügeln, denn seit es reinregnet, heißt’s nur noch: Jetzt hat Richard wieder ‘nen Grund, um’s KOMM abzusägen.

Ich gebe zu, das KOMM ist nicht jedermanns Sache, aber es gibt nun mal Leute zwischen 15 und 35 (oder älter, Ritschie), die dieses Teil gerne besuchen. Ich möchte diese Leute nicht unbedingt als einer alternativen Szene zugehörig be­zeich­nen, weil „Szene“ an sich in Saarlouis schon seit Jahren tot ist. Aber ich sehe das KOMM als Alternative für die, die mit den Aktivitäten zwischen Alt­stadtdunstkreis und lizensierter Geldbeutelmagersucht Marke Bellamy nicht sonderlich glücklich werden.

Bei Feten & Konzerten war’s im KOMM auf jeden Fall so ziemlich immer tie­risch voll. Zwei Bands haben sich mit ‘ner Menge Eigenarbeit & ständigem Kampf mit Feuchtigkeit, Wasser & der Furcht vor dem roten Phantom ihre Räume hergerich­tet. Ich habe noch nie davon gehört, daß eine Band über die Stadt Saarlouis an einen Proberaum gekommen wäre (einen richtigen, in dem man seinen Krempel stehen lassen kann & nicht jede Probe das zeitraubende Auf & Abbauspielchen treiben muß).

Kulturell steht’s in Saarlouis (verglichen mit Saarbrücken, Neunkirchen, St. Ing­bert, Illingen & anderen saarländischen Städten, in denen kulturell mehr los ist) eh nicht sonderlich. Jedesmal, wenn ich den Begriff „heimliche Landes­hauptstadt“ höre, lande ich mit Schreikrämpfen im nächsten Gebüsch. Das Saarlouiser Kultur­amt ist noch relativ rührig & beweist bei der Auswahl ein goldenes Händchen. Wie könnte ich die köstlichen Auftritte von Sissi Perlinger im Werkstattheater oder das Frankfurter Kurorchester auf dem Kleinkunstrasen vergessen. Doch für Rockkon­zerte, vor allen Dingen mit Bands aus dem Saar­land, wo es neben viel Dilletantis­mus auch eine Menge fähiger Gruppen gibt, scheint es nicht recht zuständig.

Eine große Lücke klafft hier seit der obskuren Schließung der Kasematt (wer hat diesen Schaden bloß angerichtet?). Einzig im Humpen findet ab & an noch etwas statt, doch nicht jeder Berufstätige oder sonstwie Eingespannte kann sich mitten in der Woche bis in die Puppen Musik reinziehen. Denn am Wochenende ist Saarlouis kulturell TOT. Fressen & Saufen gibt’s allerdings zu Genüge, der typische Saar­louiser trägt sein Hirn scheinbar in Magen, Leber oder Schwanz.

Apropos Fressen & Saufen: natürlich gibt’s auch Emmes & Altstadtfest mit irrsin­nig toll viel Kul­tur (damit das typische Saarlouiser Image nicht zu sehr raushängt), doch die meisten Gruppen – besser gesagt fast alle, die hier zu hören sind – be­schränken sich auf das Nachspielen irgendwelcher 1000mal gehörter Titel (man merke: was der Saarlouiser nicht kennt, das hört er nicht). Immerhin durfte bei der Emmes 89 der Rock e.V. Freitag abends das Programm auf der Hauptbühne ein wenig gestalten, doch einige älteren Damen ging’s scheinbar nicht so gut ab & ir­gendwelche Verant­wortlichen kamen dahinter, daß diese Negermusik wohl doch nicht das Gelbe für Saarlouis sei.

Ich meine, ich liebe diese Kleinstadt, wirklich, mich überkommt’s schon mit Grauen, wenn ich nach Dillingen oder Völklingen muß, deren Freß- und Sauf­tage kulturell meist das Allerletzte sind. Erst als bei den Dillingern letzt einige Gruppen kurzfristig absagten, kamen Rockbands, die sonst noch nicht mal schief angeguckt werden, in den Genuß eines Angebots zum Spielen. WOW!

Und gar der lustige Saarlandtag! Für diese Lyonerbeweihräucherung ist im Ge­gen­satz zum KOMM natürlich Kohle da. Außer den obligatorischen Auftritten von Racers, Nightbirds & sonstigen Oldievögeln, die ständig & überall zu spielen scheinen (nervt das keinen so langsam?), bekam ich nur den Auftritt der Orange­men mit, zwischen deren Songs fast ständig ein schwergewichtiges, wohl aus Bill Haleys Anfangsjahren übriggebliebenes Groupie ins Scheinwerferlicht hopste & einem per Mikro die Ohren vollkleisterte. Wenn man nach jedem Lied hören muß: „Ja, das waren die Orangemen aus Wadgassen mit laberlaberlaber & gleich geht’s weiter mir lalldilallschwall“ (die übrigen, ganz schlimmen Sprüche hab ich zum Glück verdrängt), wird man irgendwann zum Mörder.

Da sieht man mal wieder, wie Anspruch & Wirklichkeit dicht zusammenliegen können: Heimliche kulturelle Landeshauptstadt & tiefste Provinz
euer Jean-Louis

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