Immer wieder entdecke ich an den Türen von S-Bahnen lustige gelbe Schilder mit schwarzer Schrift. Die deutlich lesbaren Buchstaben verkünden in vier verschiedenen Sprachen, dass die Tür defekt ist und sich nicht öffnen lässt. Daneben findet sich das Bild einer durchgestrichenen Tür. Was sagt Ihnen das? Richtig: der Versuch, einen derart gekennzeichneten Eingang zu durchqueren, wird mit nahezu 100%iger Sicherheit fehlschlagen.
Seltsamerweise finden sich bei jeder Fahrt in einem Waggon mit solchen Türen stets Menschen, die von drinnen oder draussen das große Rütteln beginnen. Manche stehen während der Fahrt minutenlang direkt vor einem solchen Schild, nur um beim Halt plötzlich in Panik zu verfallen. Sind so viele Menschen dumm?
Ich kann dies nicht glauben, auch wenn mir bewusst ist, dass menschliche Dummheit die am meisten verbreitete Krankheit auf diesem Planeten darstellt. Nein, eine andere Erklärung muss her.
Ich vermute, dass all die vergeblichen Rüttler dieses Schild schlichtweg nicht wahrnehmen.
Das menschliche Gehirn hat gelernt zu selektieren. Die Reizüberflutung mit Plakaten und Schildern – vor allem in Großstädten – hat dazu geführt, dass wir eine Menge davon einfach ausblenden. Die Werbeshow killt Informationen!
Ich stelle mir einen Planeten vor, bei dem ich durch eine Stadt laufen kann, ohne dass mich schreiende Plakate beständig ablenken. Wo ich das Radio anschalten kann, ohne dass mir eine hektische Stimme Sonderangebote ins Ohr brüllt. Wo ich meine eMails abfragen kann, ohne mir 90% Spam einzufangen. Wo ich einen Film anschauen kann, ohne dass mir im spannendsten Moment Autos, Waschmittel und Tampons um die Ohren fliegen – obwohl dies immer gut zur Blasenentleerung oder einem Spülgang taugt. Aber soviel Wasser, wie ich loswerden könnte, kann ich gar nicht saufen.
Diesen Trend zu stoppen oder gar umzukehren, erscheint mir leider als Utopie. Eher rechne ich mit weiteren Anschlägen auf unsere degenerierten Sinne. Philipp K. Dick hat die drohenden Möglichkeiten in seinen Romanen längst skizziert.
Wenn ich mich das erste Mal dabei ertappe, an einer S-Bahn-Tür mit gelbem Schild zu rütteln, weiss ich, dass es zu spät ist.
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